In meinem politischen Alltag habe ich mich zuletzt stark um Fragen zu ländlichem Räumen oder dem Weltraum gekümmert. Es freut mich, dass ein anderes meiner Themen aber immer mehr an Aufmerksamkeit in den politischen Abläufen gewinnt: die Legalisierung von Cannabis. Für die Grünen im Europäischen Parlament begleite ich das Thema und verfolge neben Modellen in Ländern wie Malta, Tschechien oder den Niederlanden natürlich stark den Weg der Ampel-Koalition für Deutschland. Es freut mich sehr, dass mich meine Bundestagskollegin Kirsten Kappert-Gonther zur Cannabis-Konferenz der Grünen nach Berlin eingeladen hat. Dort haben wir mit 110 Vertreter*innen und Interessierten aus der Branche diskutiert.
Derzeit ist die erste Säule (Entkriminalisierung, Cannabis Clubs) des Gesetzesentwurfs in der parlamentarischen Beratung. Bei der Konferenz ging es aber vor allem um die noch offene Gestaltung der zweiten Säule: um die Modellregionen für eine legale Produktion und Abgabe. Wie also kann Cannabis dann mal kontrolliert abgegeben werden? Wie soll die wissenschaftliche Begleitung aussehen? Ich gehe gleich darauf ein, welche Antworten wir gesammelt haben. Ich habe aber auch weitere Antworten gesammelt. Nach meinem Aufruf auf Twitter (X) und Bluesky habt ihr mir sehr viele Fragen zum Thema geschickt. Die Fragen, die euch am meisten interessiert haben, habe ich mit zur Konferenz genommen – diese Antworten findet ihr hier im Artikel weiter unten.
Unbefriedigende Unklarheit: Wie denkt die EU-Kommission?
Nun zu den Diskussionen bei der Konferenz. Es gab verschiedene Info-Tische und an meinem Tisch kam immer wieder eine Frage auf: Wir gehen nun Schritte der Legalisierung – aber was passiert eigentlich nach den fünf Jahren des Modellversuchs? Bislang ist zu hören, dass die EU-Kommission die komplette Straffreiheit in Deutschland aufgrund des Schengener Abkommens kritisch sieht. Ob sich das im Laufe der Jahre ändern wird, ob man Lösungen findet – ganz ehrlich, hier herrscht noch unbefriedigende Unklarheit.
Die rechtliche Situation schätze ich anders ein. Meiner Ansicht nach ist die Legalisierung in Deutschland durchaus mit EU-Recht vereinbar. Wir sollten uns daher nicht scheuen, den Weg der Legalisierung stärker anzugehen, als bisweilen vorgesehen. Es kann gut sein, dass der Weg am Ende zum Europäischen Gerichtshof führt – mit einem Erfolg, da bin ich mir sicher. Aber erst einmal geht es darum, das Modellprojekt möglichst gut anzugehen.
Was wir beim Modellversuch unbedingt sicherstellen müssen
Bei den Vorträgen wurde auch das Schweizer Modell vorgestellt, das drei Abgabestellen vorsieht: Apotheken, Social Clubs und Drogenberatungsstellen. Wir waren uns einig: Die politischen Vorgaben sollen beim Modellversuch in Deutschland nicht so eng gefasst sein. Wir brauchen Freiraum zum Ausprobieren. Einerseits ist dieser Freiraum wichtig für die Wissenschaft: Welche Maßnahmen haben welchen Erfolg? Für eine fundierte wissenschaftliche Analyse brauchen wir niederschwellige Möglichkeiten und viele unterschiedliche Modellregionen. So stellen wir fest, welche Wege der Produktion und des Verkaufs die meisten Vorteile für die Menschen haben.
Wichtig ist mir, dass am Ende nicht nur die großen Player aus der Industrie zum Zuge kommen. Es wäre schade, wenn wir dann letztlich eine Handvoll Produzenten in ganz Deutschland und damit fast eine Monopolstellung haben. Mein Ziel ist, dass auch viele kleine Anbieter die Chance bekommen, zu produzieren. Das schafft uns eine große Angebotsvielfalt. Dieser Punkt ist nicht nur mir sehr wichtig, sondern auch den Vertreter*innen aus den Branchen. Denn am Ende dieses Gedankens geht es darum, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Und das, betonten sie, gelingt nur über drei Punkte: Qualität, Preis und eben die Produktvielfalt. Das müssen wir mit diesem Modellprojekt also sicherstellen.
Eure Fragen: Hier die Antworten aus der Konferenz
Eine Frage, die immer wieder kommt und natürlich auch von meheren User*innen auf Twitter (X) und Bluesky gestellt worden ist: “Wann Bubatz legal?” Der derzeitge Zeitplan sieht so aus: erste Lesung am 18. Oktober, Anhörung am 6. November, die zweite/dritte Lesung am 16. November. Da das Thema viel und emotional diskutiert wird, befürchten einige, dass die Beratungen länger dauern als geplant. Aber selbst wenn die Parteien länger verhandeln müssen, wird der Beschluss mit Sicherheit vor Weihnachten durch den Bundestag gehen und das Gesetz tritt ab 1. Januar 2024 in Kraft.
Häufig wurde auch gefragt: “Bis jetzt wurde nur die Entkriminalisierung umgesetzt. Warum wird dann immer von Legalisierung gesprochen?” Zuerst mal: Wir wollen die komplette Legalisierung in Deutschland. Diese basiert auf drei Säulen. Die erste Säule ist vom Kabinett verabschiedet und derzeit in der parlamentarischen Beratung: Entkriminalisierung, Cannabis Clubs, regulierter Eigenanbau. Über die zweite Säule haben wir bei der Konferenz intensiv gesprochen, sie sieht die Legalisierung als Modellprojekt vor. Die komplette Legalisierung auf Dauer wäre dann die dritte Säule. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat ganz offenbar rechtliche Bedenken. Wir arbeiten dafür, dass es diese umfassende Legalisierung gibt. Ich halte sie wie beschrieben mit dem EU-Recht vereinbar.
Einige von euch haben sich für die Obergrenze interessiert: “Warum liegt die bei 25 Gramm und wird sie noch angehoben?” Die 25 Gramm beziehen sich auf die Abgabe pro Tag, insgesamt darf man maximal 50 Gramm im Monat beziehen. Warum es genau diese Werte sind – darauf gibt es leider keine eindeutige Antwort. Diese Werte sind von den Fachleuten im politischen Prozess festgelegt worden. Es gibt da auch noch Handlungsbedarf, denn bislang spielt der THC-Gehalt bei dieser Obergrenze keine Rolle. Nun sind nun mal 50 Gramm mit 5 Prouzent THC-Gehalt eine ganz andere Hausnummer als 50 Gramm mit 30 Prozent THC-Gehalt. In der Schweiz etwa geht es tatsächlich nur um die reine THC-Menge. In Deutschland muss das noch geklärt werden.
Eine weitere Frage: “Warum gibt es keine gemeinsame Initiative der EU-Länder für eine EU-weite Legalisierung?” Das hat zwei Gründe. Zum einen obliegt die Gesundheits- und Sozialpolitik größtenteils den Mitgliedsstaaten selbst. Und zum anderen möchte nur wenige Mitgliedsstaaten Cannabis legalisieren. Eine gemeinsame Initiative wäre also nicht erfolgreich. Zwischen den Ländern, die das Projekt angehen, wird es aber weiter Austausch und Zusammenarbeiten geben.
Im Zuge dessen kam diese Frage: “Warum übernimmt die EU nicht Modelle der USA oder Kanada?” Auch hier findet sich aus den genannten Gründen keine Mehrheit innerhalb der EU. Deswegen gehen einzelne Mitgliedsstaaten mit ihren Modellen voran und achten darauf, mit EU-Recht im Einklang zu sein.
Ein Punkt muss dringend geklärt werden: Das könnt ihr tun
Besonders spannend war auch diese Frage: “Gibt es dann eine Art Promillegrenze für THC im Straßenverkehr?” Die Antwort hängt von Bundesverkehrsminister Volker Wissing ab. Er kann die Freigabe erteilen, ob das Thema Führerschein und Obergrenze in diesem Gesetzesvorschlag geregelt werden darf. Das wäre meiner Meinung nach die sauberste und schnellste Lösung – ansonsten verlieren wir bei diesem wichtigen Punkt der Legalisierung Zeit. Wir arbeiten daraufhin, dass Volker Wissing und die FDP die Dringlichkeit erkennen. Es kann nicht schaden, wenn ihr das gegenüber der FDP, Abgeordneten oder Kreisverbänden mit Briefen, Mails oder Telefonaten deutlich macht.
Abschließend noch der Dank an alle Teilnehmenden dieser Konferenz. Wir werden die Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorantreiben. Und ein Dank an Kirsten für die tolle Organisation, den unermüdlichen Einsatz in unendlichen Verhandlungen und natürlich für die Einladung! Ihr Fazit der Konferenz: “Alle Expert*innen aus den Kommunen, von den cannabisversorgenden Apotheken, aus der Wirtschaft und Wissenschaft haben verdeutlicht, dass eine kontrollierte Abgabe von Cannabis den Gesundheits- und Jugendschutz stärken wird. Es ist klar geworden, dass vielfältige und breite Varianten erprobt werden sollten, um für die nachfolgende flächendeckende kontrollierte Freigabe von Cannabis das beste Modell umsetzen zu können.”
Fotos: Elias Wahba