So war die Konferenz “Zukunft.Land.Leben” 2023

Bei der Konferenz „Zukunft. Land. Leben“ in Malchin wurden vier Tage lang schöne Geschichten erzählt. Von Menschen, die auf dem Dorf einen Bus kaufen und ehrenamtlich einen Linienverkehr einrichten. Von dem Dorf, in dem sich alle zusammen um einen Einwohner mit geistiger Behinderung kümmern. Oder von einem Dorf, das für nicht mobile Menschen einen fahrbaren Markt organisiert. Hier stimmt der Zusammenhalt. Aber irgendwann rief eine Teilnehmerin: „Es kann doch nicht sein, dass ohne uns Engagierte gar nichts geht!“

Deswegen hat der Grünen-Europaabgeordnete Niklas Nienaß aus Mecklenburg-Vorpommern zum dritten Mal die Konferenz „Zukunft.Land.Leben“ organisiert. Menschen in ländlichen Räumen erwarten, dass Probleme vor Ort von der Politik gelöst werden. Das aber scheitert vielerorts aus ganz unterschiedlichen Gründen. „Wir haben in den vielen Gesprächen gespürt, wie groß der Bedarf für einen Austausch ist“, sagt Nienaß. Angereist waren Menschen aus Politik, Wissenschaft, Ehrenamt und Vereinen. „Alle sind sie Fachleute für den ländlichen Raum und wissen genau, wo in ihren Bereichen der Schuh drückt“, sagt Nienaß. „Bei dieser Konferenz bringen wir sie zusammen und suchen gemeinsam nach Lösungen.“

Ein Spaziergang durch die Konferenztage.

Donnerstag: Von Aha-Momenten und der Waldgiraffe

Donnerstag, 9.15 Uhr. Die dritte Auflage von „Zukunft.Land.Leben“ ist eröffnet! Es dauert nicht lange und im Konferenzsaal des Ferienlands Salem wird klar: Die Teilnehmenden aus ganz Deutschland sind mit ordentlich Redebedarf angereist. Es wird Zeit, die Probleme anzupacken.

Wie wichtig die ländlichen Räume sind, stellte zu Beginn Till Backhaus (SPD) heraus. Diese seien nicht nur Lebens-, Arbeits- und Erholungsraum, betonte der Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern. “Sie sind auch ein Wirtschaftsraum.” Diesen müsse man auch stärken, dafür brauche es eine “kreative Unruhe” und vor allem Dialog. “Nichts ist besser, als im Dialog zu sein.” Backhaus zeigte sich erfreut über den guten Austausch mit dem Europaabgeordneten Nienaß. „Wir brauchen in Europa Menschen, die sich für die ländlichen Räume engagieren.”

Niklas Nienaß mit Till BackhausKonferenz "Zukunft.Land.Leben"

In Berlin setzt sich Claudia Müller (Bündnis90/Grüne) für ländliche Räume ein. Es brauche noch einen viel breiteren Dialog, forderte die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Landwirtschaftsministerium: „Die Debatten, die wir hier führen, sollten wir in ganz Deutschland führen. Denn die Probleme, die die Menschen hier vor Ort in Mecklenburg-Vorpommern haben, gibt es überall.” Es brauche Lösungen für ländliche Räume nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch in Bayern, im Saarland oder in Nordrhein-Westfalen. “Dafür müssen wir die Akteure und Akteurinnen an einen Tisch bringen”, sagte Müller.” Diese Konferenz ist ein guter Auftakt.

Aus dem Kreis der Teilnehmenden wurden viele Beispiele berichtet, wie Menschen vor Ort bei politischen Entscheidungen einfach übergangen worden sind. Wie es anders geht, zeigte Tobias Federwisch (Dorfbewegung Brandenburg) anhand des Dialogformats „Parlament der Dörfer“ auf. „Dabei werden Bürger*innen vor Ort frühzeitig in die Entscheidungen eingebunden“, erklärte Federwisch. „Der Effekt ist wirklich sichtbar. Wir sehen bei den Politiker*innen immer wieder diese Aha-Momente. Und die Menschen vor Ort fühlen sich gehört.“ Durch solche Beteiligung baue man systematisch Wissen auf.

Menschen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Ehrenamt kamen zur Konferenz.Konferenz "Zukunft.Land.Leben"

In den ersten Workshops der Konferenz haben die Teilnehmenden die Probleme und auch erste Lösungen gesammelt. Es wurde deutlich, dass die Menschen vor Ort stärker einbezogen werden müssen. Das müsse sich dann aber auch im Ergebnis zeigen, betonte Niklas Nienaß: „Nichts ist schlimmer, als scheinbare Beteiligung.“

Und wer noch nicht wusste, was ein Okapi ist, der war am Abend schlauer. Da trat für die Teilnehmenden die Indie-Band aus Julian Dietz und Nils Höddinghaus auf, die sich nach der Waldgiraffe benannt hat.

Freitag: Rechnen auf den Cent und der Faktor Sicherheit

Zu viel Bürokratie, zu wenige Fachkräfte – Beides hat man schon viel zu oft gehört, oder? Am zweiten Tag von „Zukunft.Land.Leben“ sollte es um konkrete Lösungen gehen. Doch vorher tauschten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen aus.

Ein Teilnehmer aus der Wissenschaft berichtete zum Thema Förderungen: „Fehlt bei einem Forschungsprojekt von 250.000 Euro ein einziger Cent in der Abrechnung, muss man sie komplett neu machen.“ Ein anderer Teilnehmer berichtete aus dem Vereinsleben: „Teilweise prüfen uns 13 verschiedene Behörden.“ Hier würde schon eine bessere Vernetzung der Behörden ausreichen.

„Wir werden die Bürokratie nicht beseitigen können“, sagte Nienaß. „Es geht aber darum, wie wir Verbesserungen für die Menschen vor Ort erreichen können.“ Das gelinge, in dem man die Prozesse optimiert, etwa durch bessere Vernetzung. Eine Teilnehmerin brachte die Idee für eine neue App auf, mit der Förderanträge gestellt werden können: „So wie Steuererklärung. Pling, yes: Sie haben Ihren Antrag hochgeladen!“

 

Konferenz "Zukunft.Land.Leben" Konferenz "Zukunft.Land.Leben"

 

Dass bei der Digitalisierung die schnelle Lösung nicht immer die beste ist, berichtete eine Teilnehmerin aus der Verwaltung. „Ich brauche in meinem neuen elektrischen Aktensystem jetzt das Zehnfache der Zeit.“ Sie befand: „Digitalisierung ja, aber bitte ordentlich machen.“ Zudem seien die Menschen, die in die Ämter kommen, höchst unterschiedlich. Manche bräuchten nach wie vor das persönliche Gespräch, hier reichten neue Apps nicht aus.

Von den Ideen und den Diskussionen zeigte sich Nienaß beeindruckt. „Man spürt, dass zu selten konkret über ländliche Räume gesprochen wird”, sagte er. “Da sind Menschen mit Herzblut, die sich den Problemen stellen und Chancen sehen.“

In einem anderem Workshop ging es um die Baustelle Fachkräftemangel. „Die Unternehmen brauchen bei der Fachkräftegewinnung regionale Unterstützung“, stellte Jens Matschenz von der Vereinigung der Unternehmerverbände MV klar. Auch hier das Stichwort: bessere Vernetzung. Vor allem einen Bereich trifft es laut Professorin Claudia Neu (Universität Göttingen): „In der Pflege droht der Notstand gerade in ländlichen Räumen und vor allem im Osten Deutschlands.“ Um als Arbeitgeber Nachwuchskräfte für sich gewinnen zu können, muss man ihnen zuhören. „Bei der Bewerbungsentscheidung junger Menschen spielt Sicherheit eine große Rolle“, erklärte Dozent Wolf Pansow von der FH Güstrow.

Samstag: Marketing für die Dörfer und der Projekthof Karnitz

Was auf dem Dorf schiefläuft? Beispiele sind schnell gefunden. „Lasst uns aber nicht immer über den Niedergang der ländlichen Region reden, sondern über die Chancen!“ Dazu forderte Heiko Bansen (BAGLAG) die Teilnehmenden auf. Und so ging es am dritten Tag von „Zukunft.Land.Leben“ um Potenziale in den ländlichen Räumen: Bessere Bildung, vielfältigere Kultur, stärkere Mobilität.

Es gibt positive Beispiele aus mehreren Orten – in denen beispielsweise die Ansiedlung eines Gesundheitszentrums weitere Dienstleistungsunternehmen nach sich zog. Aber solche Beispiele sind nicht einfach übertragbar, hielten die Teilnehmenden fest: jedes Dorf ist anders. Und so formulierte eine Teilnehmerin das Selbstbewusstsein, das man haben müsse: „Dörfer brauchen kein Marketingbüro von Außen. Die wissen selbst, wo ihre Stärken liegen.“

Der Nachmittag führte die Teilnehmenden aus Malchin ins wenige Kilometer entfernte Karnitz. Dort setzt Joachim Borner mit Unterstützer*innen sozioökologische und soziokulturelle Projekte um. Basis ist der Projekthof, an dem Interessierte Zugang zu Bildung, Kultur und Natur bekommen. „Manche Menschen aus dem Nachbardorf wissen immer noch nicht, dass es uns gibt“, berichtete Borner. Teilweise liegt das an mangelnder Vernetzung, teils an Vorbehalten gegenüber dem Unbekannten.

Konferenz "Zukunft.Land.Leben"

In den ländlichen Räumen müssen auch dicke Bretter gebohrt werden, bis der Erfolg sichtbar wird. Seit 1997 gibt es den Projekthof Karnitz. Es sei wichtig, die Arbeit vor Ort zu machen, betonte Borner. „Wir brauchen nicht nur importiertes, sondern auch regionales Wissen.“

Sonntag: Zeit für das Fazit

Nach so vielen Gesprächen und einem letzten Austausch am Sonntag sah das Feedback der Teilnehmenden so aus: Zufriedenheit, Wissensgewinn, Erschöpfung. „Es waren vier wirklich intensive Tage“, fasste Niklas Nienaß zusammen. Immer wieder äußerten Teilnehmende, sie würden Stichworte für ihre Arbeit mitnehmen. „Das ist genau das, was diese Konferenz bewirken soll“, freute sich Nienaß. „In den Vereinen, in Büros der Politiker*innen und in den Verwaltungen brauchen wir frische Ideen für die ländlichen Räume.“

An diesen wurde bei „Zukunft.Land.Leben“ intensiv gearbeitet. Doch die Arbeit hat mit dieser Konferenz erst begonnen, betonte Nienaß. „Wir werten die Ergebnisse aus und bauen darauf auf.“ Schon jetzt sei absehbar, dass sich neue Ansätze und Kooperationen daraus ergeben.

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