Europäische Megakonstellation – Satelliten-Internet für Bürger*innen?

Foto: Europäische Kommission

Die EU-Kommission hat ihre Pläne für eine neue europäische Megakonstellation vorgestellt. Das Netzwerk aus mehreren hunderten oder sogar tausenden Satelliten soll verschiedenen Umlaufbahnen um die Welt kreisen. 

Das sogenannte “Secure Connectivity System” soll gleichzeitig quantenverschlüsselte Kommunikation von Regierungsbehörden ermöglichen und satellitengestütztes Internet in strukturschwachen Regionen liefern. Letzteres nicht nur in Europa, sondern auch auf dem afrikanischen Kontinent. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Service vor allem den Bürger*innen zu Gute kommt.

Der Vorschlag der Kommission hat vielversprechendes Potential. Satellitengestütztes Internet kann in Europa gerade in ländlichen Räumen einen echten Mehrwert bieten. In afrikanischen Staaten noch viel mehr. Und für die europäische Weltraumwirtschaft ist ein echter Booster drin: Die Kommission möchte in dem Projekt einen New Space Ansatz verfolgen und insbesondere Start-Ups und KMUs in die Entwicklung einbinden. 

Wenn wir in Europa im neuen Space Race vorne mit dabei sein wollen, müssen wir unseren Markt aufmischen. Wir brauchen eine innereuropäische Konkurrenz zu den großen Konsortien. Wir müssen einen Wettbewerb um die besten Technologien entfachen. Eine öffentliche Megakonstellation kann und muss ein Konjunkturprogramm für eine europäische New Space Industrie werden. 

Doch das Konjunkturprogramm darf kein Selbstzweck sein. Die Konstellation muss einen echten Mehrwert für Europa bieten — und zwar nicht nur für Regierungsinstitutionen sondern vor allem für Bürger*innen. Der Erfolg des Projekts wird letztlich daran hängen, wie ernst es der Kommission mit ihrem Angebot für zivile Anwendungen ist. Im Moment stehen die sicherheitspolitischen Aspekte des Projekts zu sehr im Vordergrund.

Für den Aufbau eines Internetdienstes scheint man sich in der Kommission vollends auf die Privatwirtschaft zu verlassen. Europäische Gelder sollen für die Sicherheitsarchitektur bereitgestellt werden, an die sich dann — so die Hoffnung — Telekommunikationskonzerne anhängen. Doch werden sie das wirklich tun? Und vor allem: werden sie ihre Dienste zu einem Preis anbieten, denn Menschen in den strukturschwachen Regionen Europas und Afrikas auch bezahlen können? Reminder: SpaceX nimmt derzeit rund 100 Euro im Monat für den Starlink-Service.

Wer den Zusammenhalt in Europa stärken will, wer auf dem afrikanischen Kontinent sinnvolle technologische Unterstützung bereitstellen will, muss selbst Geld in die Hand nehmen. Ein vernünftiger Internetzugang ist heute Grundvoraussetzung für soziale Teilhabe. Breitbandgeschwindigkeit muss unabhängig von Wohnort und wirtschaftlichen Verhältnissen allen Menschen zur Verfügung stehen. Deshalb brauchen wir satellitengestütztes Internet in öffentlicher Hand.

Als Grüner Koordinator im Ausschuss für Regionale Entwicklung des Europäischen Parlaments schlage ich vor, dass wir Mehrkosten für ein öffentliches Internet aus Mitteln der europäischen Kohäsionspolitik bereitstellen. Sie hat das Ziel, den Zusammenhalt in der EU zu stärken und verfügt im aktuellen Haushalt über ein Budget von rund 390 Milliarden Euro. 

New Space bedeutet nicht lediglich, dass junge Unternehmen neue Technologien liefern. Es bedeutet vor allem, dass sich die Raumfahrt weiter von ihrer militärischen Vergangenheit emanzipiert. Die strategische Autonomie Europas stärken wir am besten, indem wir Bürger*innen zusammenbringen. 

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